Skip to the navigation Skip to the content
Bild Friedrich Grillo

Friedrich Grillo

Bild Grillo-Stadttheater 1892

Stadttheater 1892

Bild Grillo Innenraum vor 1902

Theatersaal vor 1902

Bild Stadttheater nach 1945

Stadttheater nach 1945

Bild Heutiger Innenraum des Grillo-Theaters

Grillo-Theater Innenraum nach Umbau

Bild Grillo-Theater Außenansicht heute

Grillo-Theater heute

125 Jahre Grillo-Theater (2017)

Text von Martina Schürmann, WAZ vom 2. August, mit freundlicher Genehmigung der Funke-Medien-Gruppe vom 09.08.2017

125 Jahre Grillo - eine Bühne als bürgerliche Großtat.
Das erste Stadttheater des Ruhrgebiets feiert Geburtstag. Es hat glanzvolle Zeiten erlebt, fiel in Schutt und Asche und wurde ständig neuen Bedürfnissen angepasst.

Wenn das Grillo-Theater am 16. September Geburtstag feiert, dann wird es ein wenig so sein wie vor 125 Jahren. Das Essener Orchester wird Beethovens „Weihe des Hauses“ spielen, der Bürgermeister wird eine stolze Rede halten. Und mit Friedrich Grillo werden sie einen Stifter von Rang hochleben lassen. Grillo, der Unternehmer und Kaufmanns-Sohn, hat seiner Heimatstadt vor 125 Jahren das erste Stadttheater des Ruhrgebiets geschenkt. In der großzügigen Geste verbinden sich damals Bürgerstolz und Engagement fürs Gemeinwohl.

Als Grillo im Oktober 1887 vor dem Essener Stadtrat verkündet, er wolle eine halbe Million Mark, notfalls sogar mehr, spenden und auch Zeit seines Lebens für den Unterhalt des Theaters aufkommen, geht ein Raunen durch den Saal. Doch noch vor der Beurkundung stirbt Grillo, ein halbes Jahr nach seiner Zusage. Seine Witwe Wilhelmine, geborene von Born, fühlt sich dem Beschluss ihres Mannes allerdings verpflichtet. Sie stiftet das elterliche Grundstück für den Bau im I. Hagen und übernimmt mehr als zwei Drittel der Gesamtkosten von 937.997 Mark.

Für den Betrieb werden aber weitere Unterstützer gebraucht. Nachdem die Schenkungsurkunde unterschrieben ist, erklärt sich auch Alfred Krupp bereit, das Haus mit jährlich 10.000 Mark zu unterstützen, obwohl der Industrielle wenig Begeisterung für die Materie zeigt. „Ich habe kein Interesse am Essener Theater, denn ich gehe nicht hin.“

Aus 34 Architektur-Entwürfen wird das vom Berliner Theaterarchitekten Heinrich Seeling im neobarocken Stil entworfene Modell ausgewählt. Am 16. September 1892 eröffnet das Theater mit Lessings „Minna von Barnhelm“.

Den Namen Grillo trägt das Haus aber eigentlich erst, seit es das Aalto-Theater gibt. Davor ist der Bau lange Schauspiel- und vor allem städtisches Opernhaus in einem. Ein Drei-Sparten-Haus, das mit dem rasanten Wachstum der Stadt bald räumlich an seine Grenzen stößt. Schon 1894 und 1896 erfolgen Umbaumaßnahmen, bald kommt ein neues Kulissenhaus hinzu, die Hinterbühne wird erweitert. Denn der Ansturm auf das Theater ist riesig, wie ein Zeitungsbericht aus dem November 1906 dokumentiert. Unter der Überschrift „Sturm auf die Stadttheaterkasse“ wird da ein heute unvorstellbarer Vorverkaufs- Andrang geschildert: „Man drängt, man schiebt, dort fliegen Hüte, splittern Schirme, kreischen Frauen und Mädchen. Manchmal stürzt auch der eine oder andere und wird übel getreten. Bis auf die Kettwiger Straße stehen Leute, um sich dieses Gratis-Schauspiel vor dem Stadttheater anzusehen. Wo bleibt da die Polizei, um Ordnung zu halten?“ In den 1920er Jahren wird das Sprechtheater zeitweise in eine eigene Spielstätte an der Hindenburgstraße verlagert.

Von der barocken Schnörkelfassade zum rosafarbenen Raumwunder.

Pomp und Plüsch der Gründerjahre sind sachlichem Äußeren gewichen.

Die Fassade ist heute schnörkelloser, die Platzzahl wurde von einst 800 auf inzwischen 400 Sitze halbiert, die Rolle aber bleibt unverändert: Seit 125 Jahren steht das Essener Grillo-Theater für die Idee eines Volkstheaters. Nicht von fürstlicher Hand errichtet, sondern aus bürgerlichem Gemeinwohl-Gedanken entstanden, sollte das Theater schon zur Eröffnung ein Haus für alle Essener sein. Allerdings gab es zunächst zwei getrennte Zugänge – einen für die Großbürger, einen für das Volk.

Die Zwei-Klassen-Ordnung soll nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig Geschichte sein. Um den „Charakter eines Volkstheaters“ zu erhalten, werden die „klassifizierenden“ zwei Ränge durch einen größeren Rang ersetzt, die Logen abgerissen und jeder Pomp und Plüsch der Gründerjahre entfernt. Auf die Wiederherstellung der wilhelminischen „Schnörkelfassade“ verzichtet man ebenfalls und verpasst dem Haus eine neue sachlich-neoklassizistische Front.

Nicht jeder, der die Bilder des vom Bombenhagel zerstörten Hauses heute betrachtet, teilt wohl die damalige Ansicht, dass ein Teilabriss und Neuaufbau unumgänglich war. Aber dem Essener Theater ging es wie vielen Gebäuden der Stadt, die vom Veränderungs-Furor der Stadtväter betroffen waren: Die neue Zeit sollte auch mit einer neuen Formensprache einhergehen. Ende der 1980er Jahre bekommt das Grillo-Theater noch einmal einen neuen Look. Da ist das Haus so baufällig, dass es nach den Plänen der Stadt wegen Baumängeln 1988 sogar geschlossen werden soll. Der damalige Intendant Hansgünther Heyme wendet das Ende ab.

In dem Jahr, in dem das Aalto-Theater nach langer Vorgeschichte endlich als Opernhaus der Stadt in Betrieb geht, startet auch der Umbau des Theaters, jetzt zum reinen Sprechtheater. Nun verschwindet auch das Nachkriegsinterieur der 1950er Jahre, und von den zuletzt 600 Plätzen gehen weitere 200 verloren. Denn zusammen mit dem Essener Architekten Werner Ruhnau treibt Heyme die Umgestaltung des Grillo-Theaters zum Raumtheater voran, das die Guckkasten-Bühne ablösen und eine variable Bespielung nach antikem Vorbild möglich machen soll. Ein Vorhaben, das nicht bei allen Experten auf Begeisterung stößt. Auch Nachfolger wie Jürgen Bosse und Anselm Weber haben die – kostenaufwendige – Möglichkeit der Raumbühne später nicht genutzt. Bei der Wiedereröffnungspremiere 1990 aber kann das renovierte Haus mit Shakespeares „Sommernachtstraum“ in einer Raumbühnen-Inszenierung aufwarten. Aus dem ältesten Stadttheater im Ruhrgebiet ist eine der modernsten Sprechbühnen der Republik geworden.