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Klara Bieder

Heinrich Seidel "Frauen in Katernberg - meine Großmutter Klara Bieder"

Meine Großmutter Klara Bieder wurde am 23.10.1867 in Gottesberg im Kreis Waldenburg in Niederschlesien geboren. Im Jahre 1888 folgte sie ihren Brüdern Reinhold und Ernst ins Ruhrgebiet und kam allein reisend in Caternberg an. Ihre erste Unterkunft fand sie in der Wohnung ihrer Brüder in der Colonie III in Katernberg.

Durch ihre erste Tätigkeit in einer Metzgerei in Duisburg-Ruhrort gelangte sie als Botenmädchen ins Haus der Unternehmerfamilie Haniel und erhielt dort das Angebot, für die Familie Haniel zu arbeiten. Aufgrund der bevorstehenden Verlobung mit meinem Großvater Wilhelm Paul lehnte sie das Angebot jedoch ab. Die Eheschließung mit Wilhelm Paul, der aus Ostpreußen stammte, erfolgte im Jahr 1890 nach evangelischem Glauben. Da der Großvater in den Diensten der Zeche Zollverein stand, konnte das junge Paar eine Wohnung in der Hochstraße in Katernberg beziehen. Zur damaligen Zeit erfolge die Wasserversorgung durch eine Pumpe in Wohnungsnähe, Licht spendete eine Petroleumlampe, und die Toilette (ein „Plumpsklo“) befand sich im Stall bei den Tieren. Aus der Ehe meiner Großeltern gingen 5 Kinder hervor.

Die Zeit um die Jahrhundertwende war für Arbeiterfamilien sehr beschwerlich, weil das Einkommen des Versorgers kaum ausreichte, um die Familie und besonders die Kinder zu ernähren, und deshalb waren zusätzliche Einkommen durch Nebenbeschäftigungen gang und gäbe. Viele Frauen boten Tätigkeiten wie Waschen und Nähen an. Meine Großmutter war zweimal pro Woche als Verkäuferin auf einem Wochenmarkt tätig und musste einen einstündigen Fußmarsch zur Arbeit und zurück bewältigen, der natürlich unbezahlt bliebt.

Mein Großvater Wilhelm Paul litt jahrelang unter einer Nierenerkrankung und verstarb im Jahr 1914 im Alter von nur 52 Jahren. Nach dem Tod des Versorgers wurde die finanzielle Situation für die Familie noch schwieriger und die Verantwortung für die Kindererziehung allein in den Händen meiner Großmutter.

In dieser Zeit arbeiteten Mädchen häufig als Bedienstete in wohlhabenden Haushalten, während die Söhne oft dem gleichen Beruf nachgingen wie ihre Väter und Bergleute wurden. Meine Oma nutzte ihren Kontakt zum Hause Haniel in Ruhrort und bewerkstelligte die Unterbringung ihrer Kinder im weiteren Umfeld der Familie Haniel. (Diese Begebenheit wurde den für die Historie des Unternehmenns Haniel Verantwortlichen im Jahr 2010 in Ruhrort vorgetragen und von diesen angenommen und bestätigt.)

Meine Großmutter heiratete im Jahr 1920 ein zweites Mal. Karl Meier, ein angenehmer Mann, wurde für mich der Opa Meier.

Opa Meier beherrschte neben dem Beruf des Bergmannes noch das Metzgerei-Handwerk und bot zusammen mit meiner Oma Hausschlachtungen an. Das Ehepaar Karl und Klara Meier wurde ein gefragtes Schlachterteam im Bekanntenkreis der Katernberger Kumpel und Schweinemäster.

Opa Meier verstarb im Jahre 1943. Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt schon längst aus dem Haus, und meine Oma Klara Meier, verwitwete Paul, geborene Bieder, lebte bis 1945 in ihrer Wohnung im Josef-Örtgen-Weg, der ehemaligen Hochstraße. Sie bezog eine Rente von 120,-- Mark und zahlte eine Wohnungsmiete von 4,-- Mark für eine Koloniewohnung mit Garten. 1945 zog sie schließlich zu ihrer Tochter Paula, meiner Mutter. Das Zusammenleben gestaltete sich sehr harmonisch, und ihre Erinnerungen an ihren Geburtsort in Schlesien sind mir in lebhafter Erinnerung. Meine Oma verstarb im Jahr 1954, nach einem ereignisreichen Leben, in dem sie drei Kriege, 1870, 1914 – 18 und 1939 – 45 miterlebt hatte.